Facts
Felix Prömel
25.07.2024
Special
2 Min
Mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) wird in Deutschland eine umfassende Regelung zur Förderung der Barrierefreiheit in der digitalen Welt eingeführt.
Insbesondere Webseiten und digitale Plattformen auf denen kostenpflichtige Dienstleistungen oder Waren angeboten werden, müssen zukünftig barrierefrei gestaltet sein, um allen Nutzern, einschließlich Menschen mit Behinderungen, gleichberechtigten Zugang zu ermöglichen. Da die individuellen Anfragen von Kunden heutzutage häufig direkt über die Homepage bearbeitet werden und diese Aufgaben klassischerweise vom Kundenservice des Unternehmens übernommen werden, ist auch der Kundenservice vom BFSG betroffen.
Im Folgenden soll auf die spezifischen Anforderungen des BFSG an den Kundenservice, den Zeitplan für die Umsetzung und die daraus resultierenden Herausforderungen und Chancen für Unternehmen näher eingegangen werden.
Anforderungen des BFSG an den digitalen Kundenservice
Das BFSG orientiert sich an internationalen Standards, insbesondere den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.1. Diese Richtlinien definieren detaillierte Kriterien, die eine Webseite erfüllen muss, um als barrierefrei zu gelten.
Die Anforderungen umfassen unter anderem:
Wahrnehmbarkeit: Inhalte müssen für alle Benutzer, einschließlich Menschen mit sensorischen Beeinträchtigungen, wahrnehmbar sein. Das bedeutet, dass Texte leicht lesbar sein sollten, Alternativtexte für Bilder bereitgestellt werden müssen und Multimedia-Inhalte mit Untertiteln oder Transkripten versehen sein sollten.
Bedienbarkeit: Webseiten müssen für alle Benutzer leicht navigierbar und bedienbar sein. Dies schließt die Kompatibilität mit Tastatursteuerungen, die Bereitstellung einer klaren und konsistenten Navigation sowie die Möglichkeit zur Anpassung der Seitenanzeige (z.B. Vergrößerung des Textes) ein.
Verständlichkeit: Die Inhalte und die Bedienung der Webseite müssen verständlich sein. Dazu gehört eine klare und einfache Sprache, logische Strukturierung der Informationen sowie die Unterstützung durch visuelle und auditive Hilfsmittel.
Robustheit: Webseiten müssen so gestaltet sein, dass sie mit einer Vielzahl von Benutzeragenten, einschließlich unterstützender Technologien, kompatibel sind. Dies bedeutet, dass der Code sauber und standardkonform sein muss, um sicherzustellen, dass er von allen Nutzern gelesen und interpretiert werden kann.
Das BFSG wurde am 16. Juli 2021 erlassen und tritt am 28. Juni 2025 in Deutschland in Kraft. Das Gesetz dient der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen, kurz European Accessibility Act. Das Gesetz tritt am 28. Juni 2025 in Kraft. Webseitenbetreiber haben bis zu diesem Datum Zeit, ihre Seiten an die neuen Standards anzupassen. Diese Übergangsfrist bietet Unternehmen die Möglichkeit, notwendige Anpassungen vorzunehmen, technische Schulungen durchzuführen und ihre Inhalte zu überprüfen.
Ab dem 28. Juni 2025 müssen die betroffenen Webseiten und ein digitaler Kundenservice den Barrierefreiheitsanforderungen entsprechen.
Die Umsetzung stellt die Unternehmen vor Herausforderungen, bietet aber auch Chancen.
Zu den Herausforderungen gehören:
Technische Anpassungen: Die Umsetzung der BFSG-Anforderungen kann erhebliche technische Anpassungen erfordern, insbesondere bei komplexen oder älteren Webseiten. Dies kann Investitionen in neue Technologien, Designänderungen und zusätzliche Tests erfordern.
Schulung und Sensibilisierung: Mitarbeiter, insbesondere im Bereich Webentwicklung und Design, müssen in den Grundsätzen der Barrierefreiheit geschult werden. Das Verständnis der Bedürfnisse von Nutzern mit Behinderungen ist essenziell, um effektive Lösungen zu entwickeln.
Kontinuierliche Anpassung: Barrierefreiheit ist kein einmaliger Prozess. Webseiten müssen regelmäßig überprüft und aktualisiert werden, um sicherzustellen, dass sie mit den neuesten Standards und Technologien kompatibel sind.
Die Chancen sind:
Erweiterter Nutzerkreis: Barrierefreie Webseiten bieten Zugang zu einer breiteren Nutzerbasis, einschließlich Menschen mit Behinderungen und älteren Menschen. Dies kann die Reichweite und den Kundenstamm eines Unternehmens erheblich erweitern.
Verbesserte Benutzererfahrung: Barrierefreiheit trägt zu einer besseren Benutzererfahrung für alle bei. Klare Strukturen, verständliche Inhalte und einfache Navigation sind für alle Nutzer von Vorteil.
Reputation und Compliance: Unternehmen, die die Anforderungen des BFSG frühzeitig erfüllen, können sich als inklusiv und gesellschaftlich verantwortlich positionieren. Dies stärkt nicht nur das Markenimage, sondern minimiert auch rechtliche Risiken.
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) stellt somit eine wichtige Entwicklung zur Förderung der digitalen Inklusion dar. Unternehmen sind gefordert, ihren digitalen Kundenservice an die neuen Anforderungen anzupassen, um allen Nutzern einen barrierefreien Zugang zu ermöglichen. Diese Anpassungen erfordern zwar technische und organisatorische Anstrengungen, bieten jedoch gleichzeitig die Chance, die Benutzerfreundlichkeit zu verbessern und neue Zielgruppen zu erschließen. Ein frühzeitiges Handeln und die kontinuierliche Optimierung der Barrierefreiheit werden entscheidend sein, um den Anforderungen des BFSG gerecht zu werden und gleichzeitig die Kundenzufriedenheit zu steigern.
Hätten Sie das vor dem Lesen dieses Artikels gewusst? Vermutlich eher nicht. Das zeigt eindrücklich die Wichtigkeit einer regelmäßigen „Regulatory Observation“, um rechtliche und regulatorische Einflüsse auf den Kundenservice und Serviceorganisationen rechtzeitig zu erkennen, zu bewerten und für das eigene Unternehmen anzuwenden. Neben dem UWG, der DSGVO und dem EU AI Act wird das BFSG auch für Serviceorganisationen zu beobachten sein. Service Transformation bietet mit seinem Service des Regulatory Observer ein Dienstleistungsangebot innerhalb seiner Transformation Support Services. Dabei kann eine regelmäßige Unterstützung durch einen Regulatory Observer abonniert werden, um zu rechtlichen und regulatorischen Themen rund um den Kundenservice auf dem Laufenden gehalten zu werden sowie Einflüsse auf die und Grenzen der eigenen Handlungsspielräume mit einem Experten regelmäßig auszuloten. Eine intelligente und effiziente Möglichkeit, nicht unangenehm und vielleicht (zu) spät von Neuerungen überrascht zu werden.
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